Samstag, 14. November 2015

Die verrückte Stadt (II)

Wilhelmshavener Amtsgericht: Glück muss man schon haben

Demnächst werden Verfahren vor dem Wilhelmshavener Amtsgericht dokumentiert und als "Alles Glückssache-Justiz spezial" im Nachtprogramm eines Fernsehsenders ausgestrahlt?

Der Fall: Ein Beschuldigter in einer Ordnungswidrigkeitssache soll am 17. April 2015 zu einer mündlichen Verhandlung vor dem Wilhelmshavener Amtsgericht erscheinen. Der Beschuldigte stellt am 11. Februar 2015 schriftlich einen Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht, da alle Argumente auf dem Postweg ausgetauscht worden seien.

Das Gericht fällt am 17. April 2015 ein Säumnisurteil gegen den Beschuldigten. Die Verhandlung führt der Richter L.

Der Beschuldigte stellt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, da er nicht unentschuldigt gefehlt habe. Über seinen Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht sei nicht entschieden worden. Den Richter L. lehnt er vorsorglich wegen Befangenheit ab.

Richter L. verfasst im Juni 2015 eine Protokollnotiz und erklärt sich für nicht befangen. Zu dieser Notiz soll der Beschuldigte Stellung nehmen. Der Beschuldigte nimmt Stellung und hält seinen Befangenheitsantrag aufrecht. Die Staatsanwaltschaft von Oldenburg als Herrin des Verfahrens hält das Säumnisurteil für korrekt. Reagiere ein Richter nicht auf einen Antrag auf Entbindung von der Anwesenheitspflicht, dann gelte der Antrag als abgelehnt. Nun schreiben wir September 2015.

Das Amtsgericht von Wilhelmshaven fragt den Beschuldigten schriftlich, ob er seinen Befangenheitsantrag aufrecht erhalte, denn Richter L. sei inzwischen in Pension gegangen. Für den Fall zuständig sei nun Richter K. Der Beschuldigte reagiert nicht mehr.

3. November 2015: In einem Beschluss des Richters K. wird das Säumnisurteil aufgehoben. Begründung: "Der Betroffene ist entschuldigt nicht zu der Hauptverhandlung am 17. 4. 2015 erschienen, da über den rechtzeitig am 11. 2. 2015 gestellten Antrag auf Entbindung von seiner Pflicht zum persönlichen Erscheinen nicht entschieden worden ist (vgl. zu dieser Konstellation OLG Düsseldorf, NZStZ-RR 2000, 180 mwN)."

Nun hofft der Beschuldigte, dass nicht auch Richter K. völlig überraschend in Pension geht...

Die verrückte Stadt (III)