1. November 2010
Entscheidungen über Eilanträge zum Hameler Weihnachtsmarkt
11. Kammer gibt Antrag einer Baumkuchenstandbetreiberin statt und lehnt Antrag eines Glühweinstandbetreibers ab
Die Stadt Hameln hat für die Vergabe der Standplätze - auch vor dem Hintergrund der Rechtsschutzverfahren in den letzten Jahren - folgendes Verfahren entwickelt. Die Bewerber werden zunächst in Kategorien eingeteilt, nämlich:
Kunsthandwerker/Geschenkartikel
Süßwaren
Kinderkarussells
Reine Getränkestände
Speisen, auch mit nachrangigem Getränkeausschank
Vollimbisse
Pizza- und Pastastände
Bei der Auswahl der Bewerber wird danach entschieden, ob die Stände attraktiv sind und sich dem Altstadtcharakter, der Umgebung, aber auch der Weihnachtszeit anpassen. Dazu müssen die Bewerber eine ausführliche Beschreibung ihres Sortimentes sowie des Verkaufsstandes beifügen. Die Bewertung erfolgt dann aufgrund eines in einem Kriterienkatalog festgelegten Punktesystems. Punkte werden für verschiedene Kategorien vergeben, nämlich für das Kriterium "Bauform, Bauweise/-Gestaltung" maximal 45 Punkte, das Kriterium "Weihnachtliche Beleuchtung der Stände" 10 Punkte, das Kriterium "Hüttenschmuck" 26 Punkte, das Kriterium "Kundenorientierung" 25 Punkte und das Kriterium "Barrierefreiheit" 15 Punkte. Maximal können also 121 Punkte erreicht werden. Bei Punktgleichheit ergeht eine Entscheidung nach dem Kriterium "bekannt und bewährt" und einem Losverfahren. Bei dem Losverfahren werden zunächst die Bewerber berücksichtigt, die in den vergangenen Jahren mindestens einmal vollständig den Weihnachtsmarkt bestückt haben.
Mit Bescheiden vom 22. Juni 2010 teilte die Stadt Hameln beiden Antragstellern mit, dass sie keinen Standplatz bekommen könnten, da die erreichte Punktzahl nicht ausreiche. Die Betreiberin des Baumkuchenstandes habe für ihre Bewerbung 35 Punkte erreicht und damit unter den 40 Bewerbern in der entsprechenden Kategorie bei 15 zu vergebenden Plätzen nur den 31. Platz erreicht. Der Betreiber des Glühweinstandes habe mit 117 Punkten bei sieben zu vergebenden Plätzen nur den 12. Platz erreicht.
Dem Antrag des Baumkuchenstandbetreibers gab die 11. Kammer des Verwaltungsgerichts mit Beschluss vom 28.10.2010 statt, den Antrag des Glühweinstandbetreibers lehnte sie ab:
Nur hinsichtlich des Baumkuchenstandes sei die Vergabeentscheidung rechtswidrig.
Die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens und die Ausrichtung der Auswahlentscheidung vorrangig an der Attraktivität des Angebots auf der Grundlage von einem Punktesystem zugeordneten Bewertungskriterien und bei Punktgleichheit nachrangig an dem Auswahlkriterium "bekannt und bewährt" und einem Losverfahren hält die Kammer für rechtmäßig. Das vorrangig unter "Altbeschickern" durchzuführende Losverfahren sei nicht zu beanstanden, solange Neubewerber eine erkennbare Zulassungschance hätten. Das sei noch der Fall.
Im Fall der Baumkuchenstandbetreiberin habe die Stadt Hameln aber ihre eigenen Vergaberegeln nicht korrekt angewendet. Hätte die Stadt dieses getan, hätte auch dieser Stand nach den vorgelegten Bewerbungsunterlagen mit 121 Punkten bewertet werden müssen. Die Stadt Hameln habe in einigen Kategorien zu Unrecht null Punkte verteilt, weil sie die Bewerbungsunterlagen nicht für ausreichend erachtet habe. Die Vergaberichtlinien enthielten aber - abgesehen davon, dass das bloße Ausfüllen oder Ankreuzen der Merkmale auf dem Kriterienkatalog nicht ausreichend sei - keine näheren Bestimmungen zur Form der Präsentation in der Bewerbung. Es genüge daher, wenn in einem separaten Schreiben erklärt werde, die einzelnen in dem Kriterienkatalog aufgeführten Merkmale würden erfüllt. Weitere Anforderungen - wie etwa ausführliche Beschreibungen oder die Beifügung von Fotos - seien nach den Bestimmungen der Vergaberichtlinien nicht erforderlich. Die Antragstellerin habe daher einen Anspruch darauf, dass über ihren Antrag neu entschieden werde.
Anderes gelte für den Betreiber des Glühweinstandes, der den Hameler Weihnachtsmarkt seit dem Jahre 1979 beschickt. Diese verfehlt die Maximalpunktzahl, weil er bei der Bewertung des Hüttenschmucks nur 22 von möglichen 26 Punkten erreicht, was aus Sicht des Gerichts nicht zu beanstanden ist. Nach den Vergaberichtlinien gibt es jeweils zwei Punkte für die Dekoration eines Standes mit Weihnachtsgestecken und (Kunst-)Schnee. Bei der Frage, welche Gestaltungsmerkmale mit wie vielen Punkte bewertet werde, habe die Stadt Hameln einen Ermessensspielraum, der in diesem Fall nicht verletzt sei. Selbst wenn man die an der Außenseite des Standes arrangierten Tannenzweige mit goldenen Schleifen als Weihnachtsgesteck ansehen würde, fehlten im Vergleich zu den zum Zuge gekommenen Mitbewerben zwei Punkte, weil der Stand eine Dekoration mit (Kunst-)Schnee nicht aufweise.
Den Einwand des Antragstellers, anderen Mitbewerbern sei zu Unrecht die Maximalpunktzahl zugesprochen worden, hält das Gericht nicht für durchgreifend.
Das gilt auch für den weiteren Einwand, der Antragsteller habe nach einer Ausnahmevorschrift der Vergaberichtlinien von der Bewertung nach einem Punktsystem ausgenommen werden müssen, weil er sich von den übrigen Weihnachtsmarktständen abhebe und zu einem besonderen Publikumsmagnet entwickelt habe. Er gebe kostenlos große Menge Spritzgebäck und Kakao an Kindergartengruppen ab und gewähre Ermäßigungen für Schülergruppen und Behinderte. Dies sei durchaus üblich und unterscheide den Stand des Antragstellers nicht von anderen Ständen. Eine Unterschriftenliste mit mehr als 2.000 Unterschriften sei nicht als Beleg geeignet, eine Vergleichbarkeit der Beliebtheit mit anderen Ständen herzustellen.
Gegen die Entscheidungen ist die Beschwerde vor dem Niedersächsischen Oberverwaltungsgericht in Lüneburg zulässig.
Az.: 11 B 2991/10 und 11 B 3265/10
Montag, 1. November 2010
Samstag, 16. Oktober 2010
Ohne Anwalt
16. Oktober 2010
Braucht man nicht bei Familiensachen
Hat jemand ein seelisches Tief, ist jemand psychisch vorübergehend angeschlagen, bedient sich so manches Jugendamt bei den Kindern. Weg sind sie. Vorher werden meistens Gutachten erstellt. Viele genügen wissenschaftlichen Kriterien nicht. Ob sich Familiengerichte die Ergebnisse von Gutachten zueigen machen, steht auch nicht immer fest. Rechtssicherheit sieht anders aus.
Deswegen braucht man eine Anwältin oder einen Anwalt, der sich im Familienrecht auskennt? Nicht unbedingt. Doch bei den Verhandlungen sollte jemand dabei sein. Damit nicht anschließend über das Gesagte oder Nichtgesagte ein Streit entbrennt. Oder aus anderen Gründen die Funken fliegen.
Das FamFG bietet zwei Möglichkeiten: Die erste ist in § 10 geregelt. Als Bevollmächtigter für die Sache eintreten kann ein Familienmitglied. In Familiensachen gibt es keinen Anwaltszwang. Existiert kein Familienmitglied, das einem Gerichtsverfahren gewachsen ist, sucht man sich nach § 12 einen Beistand: "Beim Termin können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten das Verfahren selbst betreiben können, als Bevollmächtigter zur Vertretung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. § 10 Abs. 3 Satz 1 und 3 und Abs. 5 gilt entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird." So steht es auch in § 90 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Anträge, die bis zum Termin erforderlich erscheinen, stellt man selbst. Der Beistand kann dabei durchaus Hilfestellung leisten, unterschrieben werden müssen die Anträge jedoch von den Eltern, von Mutter oder Vater.
Fehlt nur noch eine Zange für das Jugendamt. Die hat man bei Verfahrensfehlern. Die gibt es eigentlich bei jedem Kindesentzug. Hilfreich sein kann diese Entscheidung des Europäischen Menschengerichtshofes im Fall Olsson (Appl. no. 10465/83). Ein Auszug:
"1. Es genügt nicht, dass es dem Kind besser ginge, wenn es aus der Familie genommen wird.
2. Im Falle, dass keine Adoption vorliegt: Die Entscheidungen zur Herausnahme müssen deshalb als vorläufige, und sobald es die Umstände erlauben, aufzuhebende Maßnahme angesehen werden und jede zu ihrer Durchführung im Einklang mit der neuerlichen Zusammenführung der Familie stehen.
3. Die Bindung zwischen den Mitgliedern einer Familie und die Aussichten für ihre erfolgreiche Zusammenführung werden notgedrungen schwächer werden, wenn ihrem leichten und regelmäßigen Zugang zueinander Hindernisse in den Weg gelegt werden. Das ist eine unzulässige staatliche Einwirkung."
Klage eingereicht werden muss bei dem Verwaltungsgericht, dessen Zuständigkeitsbereich im Zuständigkeitsbereich des Jugendamtes liegt. Bestätigt das Gericht Verfahrensfehler, sind Kinder schneller wieder zurück als man denkt.
Dazu ein konkreter Fall: Ich bekomme eine Vollmacht als Bevollmächtiger in mehreren Verfahren. Diese Vollmacht wird abgelehnt. Die von mir gestellten Anträge werden trotzdem zur Kenntnis genommen. Einen meiner Anträge wertet das Familiengericht als verfahrenseinleitenden Antrag. Die Mutter bekommt also einen neuen Termin. Schon meldet sich das Jugendamt und bietet der Mutter ein Gespräch an. Ich darf dabei sein, heißt es, dann werde ich wieder ausgeladen. Inzwischen hat mich die Mutter als Beistand vor dem Familiengericht benannt. Dazu gibt es noch keine Entscheidung des Familiengerichtes. Zum Termin beim Jugendamt nimmt die Mutter eine Vertraute mit. Das Verwaltungsgericht vergibt nächste Woche ein Aktenzeichen für die Klage gegen das Jugendamt, das von der Anwältin der Mutter, der mittlerweile das Mandat entzogen worden ist, angerufene Oberlandesgericht kündigt ebenfalls einen neuen Termin an. Auch dieses Gericht hat mich als Bevollmächtigten nach § 10 FamFG abgelehnt. Greifen wir also zu § 12 FamFG und § 90 ZPO...Geschafft haben wir das in 14 Tagen. Jede Anwältin und jeder Anwalt braucht länger! Und wird teuer...
16. Oktober 2010, ein paar Stunden später
Eine Mutter hat eine Anwältin: Das OLG Hamm will ein schriftliches Verfahren einleiten, die Mutter nicht anhören
Eine Mutter hat Heinz-Peter Tjaden: Das OLG Hamm ordnet eine mündliche Verhandlung an, die Mutter bekommt Gehör, ich bin der Beistand, Sohnemann ist auch eingeladen :-)
Gesetzesbruch vor Familiengerichten - wie lange noch?
Braucht man nicht bei Familiensachen
Hat jemand ein seelisches Tief, ist jemand psychisch vorübergehend angeschlagen, bedient sich so manches Jugendamt bei den Kindern. Weg sind sie. Vorher werden meistens Gutachten erstellt. Viele genügen wissenschaftlichen Kriterien nicht. Ob sich Familiengerichte die Ergebnisse von Gutachten zueigen machen, steht auch nicht immer fest. Rechtssicherheit sieht anders aus.
Deswegen braucht man eine Anwältin oder einen Anwalt, der sich im Familienrecht auskennt? Nicht unbedingt. Doch bei den Verhandlungen sollte jemand dabei sein. Damit nicht anschließend über das Gesagte oder Nichtgesagte ein Streit entbrennt. Oder aus anderen Gründen die Funken fliegen.
Das FamFG bietet zwei Möglichkeiten: Die erste ist in § 10 geregelt. Als Bevollmächtigter für die Sache eintreten kann ein Familienmitglied. In Familiensachen gibt es keinen Anwaltszwang. Existiert kein Familienmitglied, das einem Gerichtsverfahren gewachsen ist, sucht man sich nach § 12 einen Beistand: "Beim Termin können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten das Verfahren selbst betreiben können, als Bevollmächtigter zur Vertretung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. § 10 Abs. 3 Satz 1 und 3 und Abs. 5 gilt entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird." So steht es auch in § 90 der Zivilprozessordnung (ZPO).
Anträge, die bis zum Termin erforderlich erscheinen, stellt man selbst. Der Beistand kann dabei durchaus Hilfestellung leisten, unterschrieben werden müssen die Anträge jedoch von den Eltern, von Mutter oder Vater.
Fehlt nur noch eine Zange für das Jugendamt. Die hat man bei Verfahrensfehlern. Die gibt es eigentlich bei jedem Kindesentzug. Hilfreich sein kann diese Entscheidung des Europäischen Menschengerichtshofes im Fall Olsson (Appl. no. 10465/83). Ein Auszug:
"1. Es genügt nicht, dass es dem Kind besser ginge, wenn es aus der Familie genommen wird.
2. Im Falle, dass keine Adoption vorliegt: Die Entscheidungen zur Herausnahme müssen deshalb als vorläufige, und sobald es die Umstände erlauben, aufzuhebende Maßnahme angesehen werden und jede zu ihrer Durchführung im Einklang mit der neuerlichen Zusammenführung der Familie stehen.
3. Die Bindung zwischen den Mitgliedern einer Familie und die Aussichten für ihre erfolgreiche Zusammenführung werden notgedrungen schwächer werden, wenn ihrem leichten und regelmäßigen Zugang zueinander Hindernisse in den Weg gelegt werden. Das ist eine unzulässige staatliche Einwirkung."
Klage eingereicht werden muss bei dem Verwaltungsgericht, dessen Zuständigkeitsbereich im Zuständigkeitsbereich des Jugendamtes liegt. Bestätigt das Gericht Verfahrensfehler, sind Kinder schneller wieder zurück als man denkt.
Dazu ein konkreter Fall: Ich bekomme eine Vollmacht als Bevollmächtiger in mehreren Verfahren. Diese Vollmacht wird abgelehnt. Die von mir gestellten Anträge werden trotzdem zur Kenntnis genommen. Einen meiner Anträge wertet das Familiengericht als verfahrenseinleitenden Antrag. Die Mutter bekommt also einen neuen Termin. Schon meldet sich das Jugendamt und bietet der Mutter ein Gespräch an. Ich darf dabei sein, heißt es, dann werde ich wieder ausgeladen. Inzwischen hat mich die Mutter als Beistand vor dem Familiengericht benannt. Dazu gibt es noch keine Entscheidung des Familiengerichtes. Zum Termin beim Jugendamt nimmt die Mutter eine Vertraute mit. Das Verwaltungsgericht vergibt nächste Woche ein Aktenzeichen für die Klage gegen das Jugendamt, das von der Anwältin der Mutter, der mittlerweile das Mandat entzogen worden ist, angerufene Oberlandesgericht kündigt ebenfalls einen neuen Termin an. Auch dieses Gericht hat mich als Bevollmächtigten nach § 10 FamFG abgelehnt. Greifen wir also zu § 12 FamFG und § 90 ZPO...Geschafft haben wir das in 14 Tagen. Jede Anwältin und jeder Anwalt braucht länger! Und wird teuer...
16. Oktober 2010, ein paar Stunden später
Eine Mutter hat eine Anwältin: Das OLG Hamm will ein schriftliches Verfahren einleiten, die Mutter nicht anhören
Eine Mutter hat Heinz-Peter Tjaden: Das OLG Hamm ordnet eine mündliche Verhandlung an, die Mutter bekommt Gehör, ich bin der Beistand, Sohnemann ist auch eingeladen :-)
Gesetzesbruch vor Familiengerichten - wie lange noch?
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