Mittwoch, 24. Februar 2010

In Treatment

24. Februar 2010
Es geht ein Professor auf Reisen

Daraus ließe sich auf dem Psychomarkt sicherlich auch etwas analysieren: "In Treatment" ist eine amerikanische Serie über einen Psychotherapeuten mit israelischem Vorbild. Ausgestrahlt wird die erste Staffel derzeit von 3sat. 3sat ist ein Gemeinschaftswerk von zwei deutschen, einem österreichischen und einem Schweizer Sender. Aus Deutschland und Österreich kommen Nazi-Täter, potenzielle Nazi-Opfer sind in die USA geflüchtet, manche fanden auch Unterschlupf bei den Eidgenossen.

Zumindest ein Professor aus norddeutschen Landen würde deswegen sogleich auf Forschungsreise gehen wie er die Geschichte seiner Familie auf Reisen nach Polen erforscht hat. Seinen älteren Sohn nahm er mit auf das Schiff, beide erlitten bei der Rückkehr Schiffbruch.

Seine Theorie aber nicht: Verbandeln sich in einer Familie Nazi-Opfer und Nazi-Täter, muss was schiefgehen. Leitet solch ein Professor eine Drogentherapieeinrichtung, geht noch mehr schief. Denn wenn ein solcher Familienforscher feststellt, dass in der Nachkriegszeit eine der Drogentherapieeinrichtungen dort entstanden ist, wo zuvor der Lebensborn der SS floss, reißt er sich um jedes Dokument, aus dem hervorgehen könnte, dass zwischen 1933 und 1945 so mancher Faschist um die Häuser strich, die seit 1993 Drogenkranke beherbergen, die bei diesem Professor wieder gesunden wollen.

Misslingt die Gesundung, liegt das vermutlich an irgendwelchen Verstrickungen aus unseligen Zeiten, die seine Schützlinge mangels Erinnerung aus ihrer Biographie gestrichen haben. Dieser Erinnerung muss auf die Sprünge geholfen werden, notfalls vor Gerichten.

Die hat es bekanntermaßen auch bei den Nazis gegeben. An einem fällte jemand Todesurteile, der später Ministerpräsident werden sollte und das auch blieb, bis er einem Dramatiker per Unterlassungserklärung den Mund verbieten wollte. Rolf Hochhuth hieß dieser Mann, in dessen Familie es möglicherweise auch Nazi-Täter und Nazi-Opfer gegeben hat, denn wie sonst wäre das Interesse dieses Dichters an der Vergangenheit eines CDU-Politikers zu erklären?

Fürwahr, die Theorie dieses Professors aus norddeutschen Landen vermag jede Realität einzufangen. Man muss nur wollen - wie er. Mit freiem Willen ist da nichts zu machen. Eher mit Sprüchen aus der Bibel. Die zitiert dieser Professor gern. Beispielsweise: "Wer unter euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein."

Von einstweiligen Verfügungen, Unterlassungserklärungen und Klagen ist nicht die Rede in Jesus´ Eintreten für eine Ehebrecherin. Die darf man deswegen in so manchen Briefkasten werfen (lassen)...Die meisten Steine passen eh nicht durch den Schlitz.

Mittwoch, 10. Februar 2010

Warum ist das schlecht so?

10. Februar 2010

Liebes Amtsgericht hinter dem Hauptbahnhof von Hannover,
lieber Richter Dr. Michael Siegfried,

dieser 38-Jährige muss am 24. Februar unbedingt frei gesprochen werden. Ein Freispruch wäre gleichzusetzen mit Bekennermut vieler stärken. Da die Verhandlung um 10.15 Uhr im Saal 3112 beginnt, könnte der Fall vorher mit allen Folgen bei einem Bier in der Kneipe „Die letzte Instanz“ noch einmal durchgespielt werden.

1. Szene: Der 38-Jährige fährt mit Bus und Bahn. Das ist auch im Oktober 2008, im Januar 2009 und im September 2009 gut so.

2. Szene: Schlecht findet dagegen die Staatsanwaltschaft: Dreimal wird dieser Mann als Schwarzfahrer ertappt. Hat er nie bestritten. Auch das ist gut so.

3. Szene: Bei den Verhören hat der 38-Jährige die Auffassung vertreten, er habe sich nicht strafbar gemacht, weil er bei U-Bahn-Fahrten stets ein T-Shirt mit dem gut sichtbaren Aufdruck „Ich fahre schwarz“ trug. Das ist Recht so.

4. Szene: Der Mann bekennt sich also zu dem, was er tut. Ohne Wenn und Aber. Das ist prächtig so. Dafür darf er nicht bestraft werden. Der 38-Jährige könnte als Vorbild dienen. Andere müssten seinem Beispiel folgen.

5. Szene: Tragen würden dann jede „Bild“-Redakteurin und jeder „Bild“-Redakteur ein T-Shirt mit dem gut sichtbaren Aufdruck „Ich lüge wie gedruckt“, jeder FDP-Bundestagsabgeordnete ein T-Shirt mit dem gut sichtbaren Aufdruck „Ich werde von Möwenpick bezahlt“, der Verteidigungsminister ein T-Shirt mit dem gut sichtbaren Aufdruck „Müsste ich noch einmal Soldat sein, wäre der Krieg in Afghanistan zu Ende“, jeder Steuersünder ein T-Shirt mit dem gut sichtbaren Aufdruck „Ich habe bei der Schweizer Bank Y ein Schwarzkonto mit der Nummer 123“…Der Beispiele könnten noch viele folgen.

6. Szene: Liebes Amtsgericht hinter dem Hauptbahnhof von Hannover, lieber Richter Dr. Michael Siegfried, was geschieht eigentlich am 24. Februar, wenn der Angeklagte den Saal betritt mit einem T-Shirt, auf dem gut sichtbar steht „Auch heute habe ich keine Fahrkarte gelöst“? Fließt dieses Bekenntnis gleich ins Urteil ein - oder muss dafür ein neues Ermittlungsverfahren eingeleitet werden?