Samstag, 24. Juli 2010

Früher Platten- heute Klagenschrank

24. Juli 2010
Endlich weniger Lob und mehr Leser

Früher hatte ich einen Plattenschrank. Waren drin Scheiben von Reinhard Mey, Franz-Josef Degenhardt, Hannes Wader, Uriah Heep, ACDC, Leonhard Cohen...

Doch dann gab ich dem Evangelischen Kirchenfunk ein Interview. Thema: Sekten. Brachte mir den ersten Strafantrag ein. Die Staatsanwaltschaft Hannover stellte das Verfahren ein, bescheinigte mir vorzügliche Recherche. Der Vorgang bekam zwei Löcher zum Abheften.

Gelernt hatte ich als Redakteur: Frag die Gegenseite. Machste das, biste aus dem Schneider. Sah ein Sektenpräsident aus Kanada anders. Der reagierte auf drei per Fax gestellte Fragen in Minutenschnelle mit einer Klageandrohung. Mich werde die gesamte Wucht der deutschen Justiz treffen. Drei Anwälte fauchten. Waren aber nur Papiertiger.

Vorgang kaum gelocht, fiel ich unter die Hellseherinnen. Eine wollte mir ihren Verlobten vorbeischicken zwecks Beibringung blauer Augen, eine wollte gerichtlich in mir den Glauben stärken, dass ich ein wieder geborener Bruder von Jesus bin.

Da war mir klar, der Plattenschrank musste weg, ein Schrank für Anwaltsschreiben und Vorladungen her. Drin war schon bald viel Papier. Von einem CDU-Ratsherrn, der mir die Veröffentlichung eines Buches untersagen wollte, das bereits auf dem Markt war, von einem Anwalt, der behauptete, ich hätte ihn in aller Öffentlichkeit schlecht gemacht und weiteres Zeug, dass mir aber keiner am Körper flicken konnte.

Als nächster Schrankfüller erwies sich eine Einrichtung für Drogenpatienten. Zu deren Therapiemethoden sind auch Unterlassungserklärungen und einstweilige Verfügungen zu zählen. Dafür muss der Leiter der Einrichtung zwar nicht approbiert sein, aber einen Anwalt haben, das muss er.

Ist vorhanden - wie neuerdings auch Klagen gegen von mir veröffentlichte Kritik an eben dieser Einrichtung. Zwei Löcher bekamen heute 18 vorwurfsvolle Seiten. Beim Lesen verstanden habe ich auf Seite 17 endlich, warum meine Fragen ohne Antworten geblieben sind. Dafür hatte man in der Einrichtung einfach keine Zeit, denn: "Wegen der Fülle von Anfeindungen und der großen Aufmerksamkeit, die diese Veröffentlichungen des Beklagten in der Szene gefunden haben, muss sich der Kläger mittlerweile auf jeder der durchaus zahlreichen wissenschaftlichen Veranstaltungen, an denen er als Referent oder Zuschauer teilnimmt, gegenüber den Vorwürfen des Beklagten rechtfertigen."

Wäre das so, hätte ich das Ziel erreicht, das sich frei nach Lessing so definieren lässt: Wer schreibt, will weniger gelobt und mehr gelesen werden...   

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